Franz Werner Eller

Wer ein Kunstwerk nach der Vielfalt der Motive, Eigenschaften, Kompositionen und auch das Spannungsreichtum der Formen "genießen" möchte, dem wird die Kunst Franz Ellers befriedigen und zugleich verstören.

Malerei ist für Franz Eller Veranschaulichung seiner inneren Bildwelt mit, bildnerischen Mitteln.
Seine Schöpfungen sind sinnträchtig - das lässt sich nicht, übersehen - aber ihr Gehalt ist oft nur schwer zu entziffern. Er verwandelt die sichtbare und unsichtbare Welt seiner Empfindungen in visuelle Poesie.

Alle Wünsche, die ein Betrachter hegt, werden erfüllt. Franz Eller hat sein Werk jedoch geschützt.
Er verstellt den Weg schneller Konsumierbarkeit, seiner Bilder durch Irrrationsmomente.
In seinem Symbolismus stecken einschränkende Vorbehalte. und Eller ist sich bewusst, dass es Anstrengung erfordert, seine Bildsprache zu verstehen.

Seine Aussagen erscheinen verschlüsselt und sind doch für den Betrachter Schlüsselerlebnisse, mit denen er sich identifizieren kann; zumindest nicht ohne Umschweife lesbar, wobei er
herkömmliche Motive und Zeichen - welche in einer beträchtlichen Zahl seiner Werke auszumachen sind - in ungewohntem Kontext benutzt. Er geht - ein noch unbestimmtes Bild - von innen an lässt es im Prisma des Bildes langsam und im Fortschreiten des bildnerischen Aufbaus materialisieren.

Ansätze dieses Phänomens finden sich bereits in seiner frühen Schaffensperiode, die - sieht man von Jugendwerken ab - im Jahre 1960 einsetzte. Diesen "symbolischen" Strukturen begegnen wir zum ersten Mal in dem Gemälde "Die Mauer" (1966) und findet seine vorläufige Vollendung in "Die Pyramide", die 1987 in Hamburg entstand. Franz Eller könnte als "Poet der Malerei" gesehen werden. Die poetische Seite seiner Kunst, die symbolistische, literarische, folkloristische, zeigt uns eine bildnerische Sprache, die nicht grundlegend neu gefunden wurde, sondern vielmehr seine neu gefundenen Syntax mit neuen Sprachbildern und bisher nicht ausdrückbaren Ergriffenheiten darstellt, die im noch undefinierten Bereich des Nicht-Sichtbaren und Irrationalen liegen und die doch erst die Vollständigkeit des Erlebnisses ausdrücken.
Zu seiner bildnerischen Defination reichen Landschaften, Blumen, Akt und Stillleben, die unter dem Eindruck seiner Erfahrungen zu seiner eigenen künstlerischen Sprache fanden;
ein Entwicklungsprozess also, eine Reaktion auf äußere, gesellschaftliche Gegebenheiten.
Wie in einem inneren Tagebuch schlüsselt sich hier der komplizierte Prozess der Stilentwicklung bei Franz Eller auf. Künstlerisch geschult entwickelte er ein virtuoses Frühwerk. Die Erfahrungen der Nachkriegszeit und der politischen Situation in Ostdeutschland nach dem Mauerbau bewirkte einen tief greifenden Stilumbruch, in dem sich zugleich eine fundamentale Bewusstseinsveränderung widerspiegelt.

Gerade am zeichnerischen Werk lässt sich dieser Entwicklungsprozess Schritt für Schritt nachvollziehen. Seine frühen Tuschezeichnungen zeigen ein zunächst unbewusst vollzogener Stilumbruch, der erstmals zu Bewusstsein kam. Eine Kraftzufuhr von neuen Vorstellungen zeigen seine Werke der 70er Jahre. Sein freier Geist hatte den Entwurf geliefert, nun konnte er ihn erweitern. Franz Eller brachte neuartige Bereiche irrationaler Erkenntnis aus Vision, Traum und Legende in seine Werke unter. Die Ausdrucksfähigkeit des farbigen und formalen Aufbaus der neuen Bilder veränderten und verstärkten sich. Eller interessierte die unerwartete Auswertung des geistigen Horizontes; die die Bilder des Traumes, der Erinnerung und der inneren Vorstellung genau so wichtig nimmt wie die Bilder der sichtbaren Natur und selbst auch diesen natürlichen Bildern ("Sonnenblumen") noch einen mythischen Hintergrund zu hinterlegen weiß. Sein Metapher vereint sich mit der modernen Malerei zu einem ästhetischen Ganzen. Bildnerische Metaphorik - heißt nichts anderes, als das gleichnishafte Bild aus Erlebnis, Traum, Vorstellung oder Erinnerung in einen Satz aus farbigen Formen einzuschlüsseln: Eines bedingt das Andere. Seine Bildkonzeption hat sich mit den Jahren entwickelt und hat sich in den letzten Jahren modifiziert, jedoch nicht aufgegeben: Weder während der inneren Emigration in Ostdeutschland, noch in den Jahren in Göttingen, Berlin und Hamburg - wo er er seit 1970 lebt.

Das Werk Franz Ellers liegt wie ein großer erratischer Block in der Geschichte der Malerei unserer Jahre. Er ist kein Reporter des Zeitgeschehens. Noch drängt es ihm zu Urteil oder Analyse - vielmehr zwischen Empfindungen und surrealistisches Verständnis. Aber ein griffiges Denkschema als Antwort auf seine Werke bleibt versagt; vielmehr liegt der Grund in der Art seines Schaffensprozesses, der sich fast dreißig Jahre hinzieht.

Sichtbar sind in all seinen Werken die bewusst ästhetisch suggestiv ins Auge springenden Details, mit sich ziehend die hochgehaltenen Maximen. Das Liniengefüge organisiert sich zu einem harmonischen Ganzen. Auf der anderen Seite aber ist zu beobachten der reflektierte Versuch, adäquate künstlerische Mittel für die erlebte Wirklichkeit, zu entwickeln.

Die Realität der Gesellschaft und des Menschen, das Sein, das Bewusste und Unbewusste wurde auf pointierte Darstellung zu "bannen" versucht. Heute verfügt Franz Eller über eine Liniensprache, die die Situation des Menschen und seiner Umwelt in unserer Zeit, zum Ausdruck bringt.

Mit hellsichtiger Aufmerksamkeit - die Sonderbarkeiten der Alltäglichkeit sehend - wird sein malerisches Werk durch die Anschauung des poetischen Kerns der Menschlichkeit bestimmt; diese fällt natürlich seinem eigenen poetischen Kern zu. Wie dieses geartet ist, diese Originalität, ist ablesbar an seinen Bildern. Die Verflechtung des Daseins mit dem Ausdruck seiner malerischen Domäne machen Franz Ellers Eigenart aus; sie ist die innerste Quellzone seiner Bilder. Das hängt mit dem ganzen Zuschnitt seiner Person zusammen:

Tritt man diesem lebhaften Mann mit seinem beweglichen, zwischen Heiterkeit und Trauer, pfiffiger Schalkhaftigkeit und blitzender Intelligenz ständig wechselndem Gesichtsausdruck gegenüber, so kann man sich dem dichterischen Charme seiner Person, die sonderbar zwischen Ernst und unerwartet aufblitzender Clownerie oszilliert, nicht entziehen.
Einiges davon ist Maske - und auch das gehört zur Person - als Versteck und zur Abwehr gemeint, um den hohen Grad an Verletzlichkeit seines Künstlertums abzuschirmen. Zu seinem
Schutz wahrt er Distanz, kann verschlossen, unnahbar erscheinen. Ein Blick in sein Atelier wird nur wenigen gewährt. Ihm bei der Arbeit zuschauen zu wollen - unmöglich.

Wie er arbeitet, wissen nur wenige. Es ist ein Verhaltensmerkmal der Person Franz Ellers und seiner Werke, sich dem Gegenüber nicht schnell zu offenbaren und mit welcher Zwangsläufigkeit sich der Charakter seiner Kunstwerke der Persönlichkeitsstruktur seines Schöpfers annähern, ist hier nicht weiterzuverfolgen.

Ein Mann, der ständig in der Flut rätselhafter Bilder steht, ein Mann, der nicht leben kann, ohne zu malen - der sich durch seine Poesie das Abgleiten ins Akademische bewahrt hat.

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